retour    Interview mit Creative Waste from Saudi Arabia
 
Hardcore Punk aus Saudi Arabien

Extreme Musikrichtungen in Saudi Arabien haben alle zu kämpfen, weil es praktisch keine Auftrittsmöglichkeiten für solche Bands gibt.

Creative Waste aus Saudi Arabia
Die Band Creative Waste aus Saudi Arabien spielt Grindcore und Death Metal. Sie wurden ungefähr im 2000 gegründet. Bis sich die Jungs dann richtig eingespielt haben, dauerte es allerdings noch ein paar Jahre. Ab dem Jahr 2005 entstanden zwei Demos und ein Longplayer. Im Jahr 2017 kam es zu der ersten Europa Tournee mit 13 Konzerten. Nach dem Gig in der Berliner Köpi am 11.7.2017 habe ich mich mit Fawaz (Gesang), Omar (Gitarre) und Talal (Schlagzeug) über die Erfahrungen auf der Tour, ihre Musik und die Metalszene in den Staaten am Persischen Golf unterhalten.

Michael: Ihr seid gerade zum ersten Mal in der Berliner Köpi aufgetreten. Wie hat euch das Konzert heute gefallen?
Fawaz: Die Köpi war definitiv mal ein Ort den ich so vorher noch nie gesehen habe. Das ist total spannend mit der ganzen Kunst. Das ist da eine richtige Community. Orte wie diesen, also Squats, haben wir in Saudi Arabien nicht. Das ist cool und ich fand, es war eine richtig gute Stimmung.
Talal: Der Typ vom Sound war super hilfsbereit, ist ständig hin und hergerannt und hat hier noch was eingestellt und da noch was verbessert, so dass wir wirklich einen richtig guten Sound hatten.
Omar: Das habe ich nicht erwartet, als ich den Laden gesehen habe. Wir haben schon in vielen Läden gespielt, die eigentlich gut waren, aber den Sound irgendwie standardmäßig eingestellt haben. Also das war hier wirklich gut. Ich mag die Köpi sehr.
Fawaz: Ich fand die Leute ein bisschen steif im Vergleich zu dem was ich so gewohnt bin. Anfangs war ich daher nicht ganz sicher, ob dem Publikum unsere Musik wirklich gefällt. Aber hinterher war ich dann doch total happy.

Michael: Ist das für euch jetzt das erste Mal in Europa?
Fawaz: Wir waren 2012 schon mal da, haben da aber nur zwei Shows gespielt: Das Obscene Extreme Festival und die After Show. Eine richtige Tour hatten wir so wie bisher noch nicht. Jetzt haben wir 13 Shows. 4 stehen noch aus, und wir werden dann mit dem größten Gig beim Mighty Sounds Festival in Tschechien die Tour beenden. Da freue ich mich schon sehr drauf.

Michael: Und wie war die Tour bisher?
Omar: Das ist jetzt die 9. Show. Als wir mit der Tour angefangen haben, war es schon gut, aber mit der Zeit wurde es immer besser, auch in Bezug auf das Publikum. Ich fand den Gig gestern im Cross Club in Prag einen der besten den wir je hatten. Der Hauptevent für uns auf der Tour war schon das diesjährige Obscene Extreme Festival, aber ich mag auch wirklich die kleinen, intimeren Auftritte, zu denen der von gestern gehört hat.
Talal: Ja, das in Prag gestern war super. Die Leute haben uns nach dem Auftritt wieder auf die Bühne gedrängt, damit wir noch was spielen (lacht). Das war kein Fake. Die Leute haben uns wirklich eingekreist und uns wieder für einige Zugaben auf die Bühne gebracht.
Omar: Wir hatten da nicht mal mehr ein Mikrofon, weil der Soundtyp schon abgehauen war. So mussten wir die Zugaben dann ohne Mikro spielen, aber es hat wahnsinnig Spaß gemacht. Das ist es ja auch worum es uns bei Metal und Grindcore geht. Diese Haltung: Egal - ich habe jetzt zwar keine richtige Anlage mehr, ich kann aber immer noch einen Song spielen und abgehen. Talal: Es hat aber wirklich überall totalen Spaß gemacht bisher.

Michael: Erzählt mal was über eure Band. Wie habt Ihr euch gefunden? Wie hat alles angefangen?
Fawaz: Es begann, als wir in den USA waren. Das war schon 1999. Mein Vater hat dort ein Jahr lang gearbeitet. Da haben wir uns kennengelernt und weil wir die gleiche Musik gehört haben, haben wir irgendwann beschlossen, eine Band zu gründen. Es hat dann aber noch 2 Jahre gedauert, bis wir wieder in Saudi Arabien waren. Da haben wir uns Instrumente gekauft und mit der Band wirklich gestartet. Wir haben dann erst mal gejamt und verschiedene Styles ausprobiert, bis wir dann bei extremer Musik gelandet sind. Wir mussten aber wirklich komplett bei null anfangen.

Michael: Warum habt ihr euch für Grindcore entschieden?
Omar: Ich liebe das einfach.
Fawaz: Für mich bedeutet Grindcore vor allem Freiheit. Ich würde aber auch gar nicht sagen, dass wir eine reine Grindcore Band sind. Du findest bei uns z.B. auch starke Death Metal Einflüsse. Aber es stimmt schon, dass Grindcore bei uns dominiert.

Michael: Wie sieht denn die Musikszene in Saudi Arabien aus. Extreme Musik in Saudi Arabien ist ja erst mal ungewöhnlich.
Fawaz: Extreme Musikrichtungen in Saudi Arabien haben alle zu kämpfen, v.a. weil es praktisch keine Auftrittsmöglichkeiten für solche Bands gibt. Populär ist bei uns eigentlich nur arabische Popmusik.
Talal: Metal wird insgesamt nicht akzeptiert, weil es mit Satan in Verbindung gebracht wird, was in einem religiösen Land wie Saudi Arabien natürlich ein Problem ist.
Omar: Die Leute verstehen Metal nicht und deshalb akzeptieren sie es nicht. Alles, was die Leute nicht verstehen, wollen sie nicht akzeptieren. Auch elektronische Musik wird in Saudi Arabien z.B. nicht akzeptiert.
Fawaz: Viele Leute kümmern sich nicht um Metal. Für sie ist das letztlich nur Krach. Angst bekommen die Leute, wenn man anfängt, sich zu schminkt oder so, aber wenn es nur um die reine Musik geht, fehlt den Leuten einfach das Verständnis. Wir haben schon Shows gespielt von 2005 - 2008. Das ging auch eine Weile gut, bis es eine verhältnismäßig große Sache wurde und Leute für die Shows Eintritt genommen haben. Da wurde dann zu viel Aufmerksamkeit erregt und 2 Leute von den Organisatoren mussten auch in den Knast.

Michael: War es denn zu einer bestimmten Zeit erlaubt?
Fawaz: Nein, es war nicht wirklich erlaubt, aber wir sind 4 Jahre lang einfach damit durchgekommen, weil es keine große Aufmerksamkeit erregt hat. Es war der Punkt, an dem Eintritt für die Shows genommen wurde, als die Behörden die Sache beendeten und es uns auch zum Vorwurf machten, dass Frauen und Männer ohne Erlaubnis bei einem Event zusammen feierten. Mit dem Eintrittsgeld wurde es dann also zum Problem.

Michael: Gab es bestimmte Orte, in denen ihr spielen konntet?
Fawaz: Wir haben Orte angemietet, wie z.B. Ranches. Das war DIY. Wir und unsere Freunde haben da dann alles selber gemacht. Organisiert war das dann als private Veranstaltung, aber wir haben natürlich alle Leute eingeladen, die sich dafür interessiert haben und die Events auch online angekündigt. Jeder der wollte, war willkommen.

Michael: Wie viele Leute sind denn so zu den Shows gekommen? Und gibt es eine richtige Szene für extreme Musik in Saudi Arabien?
Fawaz: So 50 Leute sind dann schon bei den Shows gewesen. Wir haben dann auch angefangen neue Bands in der Gegend zu entdecken und mit denen Konzerte zu geben.

Michael: Gibt es viele Bands in Saudi Arabien?
Fawaz: Ja, es gibt schon einige Bands in Saudi Arabien, aber wenn man nicht auftreten kann, wird es von der Motivation her schon schwierig, weiterzumachen.
Talal: Auch in Bahrain wo Omar herkommt und in Dubai gibt es eine kleine Metalszene.
Omar: Ja, es ist eine kleine Szene, aber es gibt schon die Möglichkeit, sich zwischen den Bands auszutauschen und sogar Events aufzuziehen. Bevor ich bei Creative Waste eingestiegen bin und bei anderen Bands an der Gitarre war, habe ich mit den Jungs schon in Bahrain und ein paar Mal in Dubai gespielt. Auch im Oman und Kuwait könnte es Metal Bands geben, aber das sind sicher nicht mehr als jeweils zwei, denn aus diesen Ländern haben wir bisher kaum etwas gehört. Das meiste in den Golfstaaten geht wirklich in Saudi Arabien, Dubai und Bahrain ab. Speziell Dubai hat eine super Szene, wohl auch, weil viele internationale Bands dort auftreten. Neben großen Bands wie Metallica oder Megadeath hat man dort auch viele Death Metal Bands, die dort wirklich ohne große Probleme spielen können. Gelegentlich gibt es auch dort Probleme. Ich glaube, ein Konzert ist letztens mal abgesagt worden, aber grundsätzlich kann man dort einmal im Monat auf ein Metal Konzert einer internationalen Band gehen. In Bahrain ist noch nicht ganz so viel los, wie in Dubai. Und wirklich große Bands kommen noch nicht zu uns, aber wir versuchen dahin zu kommen. Wir machen da auch eigene Shows, es gibt Bands und es kommen andere Bands aus Saudi Arabien und Dubai, aber wir haben es noch nicht geschafft, mal eine Band aus Europa oder den USA zu bekommen. Prinzipiell ist es möglich, aber man muss schon einige Sachen beachten. Bahrain ist nicht so offen wie Dubai, aber auch nicht ganz so verschlossen wie Saudi Arabien. Das größte, was es in Bahrain bisher mit einem Rock- oder Metalbezug gab, waren die Scorpions, die 2014 beim Formel -1 Rennen aufgetreten sind. Dass so etwas mal passieren würde, konnten wir uns vorher gar nicht vorstellen.

Michael: Und habt Ihr viel Kontakt mit anderen Bands?
Omar: Ja, die Szene ist sehr überschaubar. Da kennt man sich dann schon untereinander. Creative Waste haben etwas früher angefangen, als ich mit meinen damaligen Bands, aber wir haben uns auch damals schon immer ausgetauscht, wenn es um Gigs oder Veröffentlichungen ging. Wenn ich mal keinen Kontakt zu einer Band habe, kenn ich in der Regel jemand anderen, der den Kontakt herstellen kann. Gerade auch mit Creative Waste war die Szene in Saudi Arabien immer etwas weiter als die in Bahrain. Bahrain hatte komischerweise in den 70er Jahren viele Bands, was meistens aber Coverbands von Pop und Rock Musik waren. Es gibt eine Band in Bahrain, Osiris, die Prog Rock machen und die es immer noch gibt. Die haben in den 70ern angefangen und ich finde es supercool, dass es diese Band nach all den Jahren immer noch gibt. Im Rest der Golfstaaten gab es so was nie. Auch ich habe irgendwann angefangen in Bands, in denen wir Metallica und Ähnliches gecovert haben, und dann haben wir entdeckt, dass es Bands in Saudi Arabien gibt, die Grindcore und Death Metal machen. Das musste sich alles erst ein wenig entwickeln, aber mittlerweile haben wir auch ein paar gute Bands in Bahrain.

Michael: Danke für das Interview. Jetzt habe ich ja erst mal eine ganze Menge Input.
Omar: Was mir noch wichtig ist zu sagen, ist, dass diese Tour von Creative Waste nicht etwas ist, was nur für Saudi Arabien oder die Band selber steht. Es repräsentiert in gewissem Sinne die gesamte Region am Persischen Golf, weil die Szenen da schon sehr miteinander verwoben sind. Wir sind auch nicht die ersten, die eine Europa Tour gemacht haben. Da gibt es z.B. eine Death Metal Band aus Dubai, die Nervecell heißen und die neben drei Europa Touren auch eine Tour in Brasilien und eine im indischen Subkontinent gemacht haben. Es gibt also nicht viele Bands aus der Golfregion, die im Ausland touren, aber es wird mehr und es läuft wirklich gut auch mit der ganzen Unterstützung und der Hilfe, die wir jetzt z.B. bei dieser Tour von den ganzen Veranstaltern und dem Publikum erfahren. Diese ganze Hilfe unterstützt dann indirekt auch wieder neue Bands aus unserer Region bei ihren Anfängen.

Michael: Glaubt ihr, dass es realistisch ist, auch mal eine Tour in den arabischen Ländern zu machen?
Omar: Nein, das ist nicht leicht. Sogar Nervecell, die wirklich versucht haben, so etwas aufzuziehen, haben das nicht hinbekommen. Sie waren zweimal in Bahrain, aber nur für einzelne Konzerte. Ich glaube, das ist sehr schwer. Im Oman gab es sicher noch niemals einen Metal Gig. Vielleicht hatte Kuwait mal ein paar Gigs, aber auch nicht viele. Von da hören wir wirklich kaum etwas.
Fawaz: Auch das mit der Logistik und dem Reisen als Band ist in den Golfstaaten nicht so leicht.
Omar: Stimmt, das ist problematischer als in Europa, auch wegen den ganzen Grenzen. Daher ist es dann sogar einfacher, nach Europa zu kommen und hier zu touren, als das in unserer eigenen Region zu machen. In Europa kann man einfach Leute kontaktieren, die Konzerte organisieren oder die einen Laden schmeißen und fragen, ob es an diesem oder jenem Tag mit einem Auftritt passt. Wenn man sich geeinigt hat, bringt man einfach sein Equipment mit und los geht's - sogar an einem Wochentag. In der Golfregion muss man mehrere Monate vorher schon mit dem Veranstalter sprechen, in finanzielle Vorleistungen gehen, alle möglichen rechtlichen Sachen vorab klären und Genehmigungen einholen. Und am Ende macht der Veranstalter einen Rückzieher und wir haben unsere ganze Kohle verloren.

Michael: Weil der Auftritt dann verboten wurde?
Omar: So einfach ist das nicht. Es ist nicht so, dass es nicht erlaubt würde, aber es lässt sich alles nicht so einfach wie in Europa organisieren, da es wahnsinnig viele Restriktionen und Bedingungen gibt, die beachtet werden müssen. Aber ich hoffe, dass das in der Zukunft einfacher wird.

Michael: Ok, Danke nochmal für das Interview.

  ENDE INTERVIEW

Interview 11.07.2017 in der Berliner Köpi
von Michael Rösener

Dieses Interview wurde geführt von unserem Gastautor Michael. Falls ihr auch Interesse habt als Gastautor Beiträge auf AWAY FROM LIFE zu veröffentlichen kontaktiert uns unter info@awayfromlife.com         Die Homepage     retour    nach oben     ...date: 15.08.2017